Zervikale Kyphose und andere Deformitäten

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überblick

Details zur Erkrankung

Zum besseren Verständnis der Erkrankungen dieser Gruppe ist es sinnvoll einen genaueren Blick auf die Halswirbelsäule zu werfen. Die überwiegende Mehrheit der Patienten mit zervikalen Deformitäten weist eine Deformierung in der seitlichen Ebene, also sagittaler Ebene auf, was bedeutet, dass die normale Krümmung der Halswirbelsäule (Konvexität der Krümmung weist nach vorne), auch Lordose genannt verloren ist und durch eine gegenläufige Krümmung ersetzt ist (Kyphose). Man spircht hier von einer zervikalen Kyphose. In sehr seltenen Fällen kann es auch in der Halswirbelsäule zu einer Deformität kommen, welche die frontale Ebene betrifft (also Ansicht von vorne) und dann als skoliotische Deformität bezeichnet wird. Die Abbildung 1 zeigt schematisch einen Patienten mit einer zervikalen Deformität, genauer einer zervikalen Kyphose. Es werden eine Reihe radiologischer Messungen angewandt, um die Erkrankung näher einzuteilen und auch um die operative Therapie zu planen. Die klinische Manifestation zervikaler Deformitäten ist, je nach Ursache, Schmerz, Einschränkungen im Alltag durch Erschwerung des Geradeausblickes, Schluckstörungen, in einigen Fällen neurologische Störungen, welche bedingt sind durch einen Funktionsverlust des Rückenmarkes. Diese Funktionsstörung des Rückenmarkes wird auch cervicale Myelopathie genannt und wird im Wesentlichen verursacht durch eine Dehnung dieser Struktur um Rahmen der Kyphosierung der Halswirbelsäule.

Einteilung – zervikale Kyphose, zervikale Skoliose

Ursache einer cervicalen Deformität können vielfältig sein. Für fokale Deformitäten sind meist Frakturen, Entzündungen mit Knochenzerstörung oder Tumore verantwortlich. In seltenen Fällen können auch angeborene Fehlbildungen der Wirbelkörper eine Deformität der frontalen oder seitlichen Ebene verursachen. Für globale Deformitäten sind meist entweder degenerative oder rheumatische Erkrankungen der Halswirbelsäule verantwortlich. Weiters kann es sein, dass Erkrankungen der Muskeln oder eine Deformität der Brust- und Lendenwirbelsäule die cervicale Deformität verursacht. Tabelle 1 zeigt eine grob orientierende Einteilung basierend auf mehreren Faktoren: einerseits die Ebene der Deformität wie auch fokal versus globale Deformität.

Bei Deformitäten des Erwachsenenalters, fokale, wie auch globale, sind meist drei Faktoren entscheidend in Sachen Therapieindikation und -planung: kann der Patient Geradeaus sehen (CBVA Messung, siehe Abbildung 1), besteht eine neurologische Störung der Rückenmarksfunktion (korrelierend, unter anderem, meist zu einer Verlagerung der „k line“, siehe Abbildung 1) und ist die Deformität dekompensiert (pathologischer C2SVA Wert, siehe Abbildung 1). Für angeborene Fehlbildungen der Wirbelkörper gelten andere Kriterien zur Stellung einer Therapieindikation. Abbildung 2 zeigt eine Übersicht dieser Gruppe seltener Läsionen. Hier besteht in vielen Fällen eine Indikation zur operativen Korrektur bevor es zu einer gravierenden Deformität kommt, da die meisten der in Abbildung 2 angegeben Läsionen im Verlaufe des Kindes- und Jugendlichenalters zu zunehmenden Deformitäten führen. Für eine congenitale Kyphose besteht immer die Indikation zur operativen Korrektur, da das Risiko einer Rueckenmarksstörung bei zunehmender Deformität hoch ist. Für die Gruppe der Hemivertebrae gilt, dass das Risiko einer zunehmenden Deformität am höchsten ist für voll segmentierte, gefolgt von halb segmentierten, inkarzerierten und nicht segmentierten Hemivertabrae. Abhängig vom Typ des Hemivertebra, der Lokalisation und dem Patientenalter kann in manchen Fällen zunächst eine beobachtende Haltung eingenommen werden.

Die nachfolgenden Abbildung 3-5 zeigen Beispiele von fokalen, globalen und congenitalen Deformitäten.

Ursachen für fokale Deformitäten sind oft Frakturen, Tumore oder Entzündungen der Wirbelsäule. Weiters wurde bereits erwähnt, dass extrinsische globale Deformitäten verursacht werden durch eine Deformität der thorakalen oder lumbalen Wirbelsäule. Hinsichtlich intrinsischer Deformitäten (cervicale Kyphose), so könne sowohl degenerative als auch rheumatische Erkrankungen Ursache sein. Eine besonders stark ausgeprägte globale Deformität wird auch als „dropped head“ Syndrom bezeichnet. Ursachen hierfür sind:

Erkrankungsverlauf

Der Verlauf der Erkrankung hängt ab von der Ursache der Deformität. In vielen Fällen kommt es zu einer langsamen Zunahme der Deformität im Verlauf der Zeit. Wie der Tabelle 2 zu entnehmen ist, kann es in Fällen bei denen eine neurologische oder muskuläre Erkrankung Ursache der Deformität ist, möglich sein den Fortschritt zu verhindern durch Behandlung der Ursache. Bezüglich der congenitalen Deformitäten (siehe Tabelle 1, Abbildung 2) so ist zu erwähnen, dass die kyphotische Variante immer zu einer deutlichen Verschlechterung neigt, weshalb eine frühzeitige operative Korrektur indiziert ist. Bezüglich der skoliotischen Varianten ist zu erwähnen, dass die Wahrscheinlichkeit einer deutlichen Zunahme der Deformität wahrende der Kindheit abhängig ist vom genauen Subtyp der Wirbelkörperfehlbildung (siehe Abbildung 2). Beim Erwachsenen führen viele kyphotische Deformitäten zu einer Verschlechterung der Rückenmarksfunktion, was auch im Falle der cervicalen Kyphose zutrifft. Dies kann die Motorik und Sensorik der Extremitäten beeinträchtigen wie auch zu Inkontinenz führen. Als nützliche Skala zur relativ objektiven Messung der Rückenmarksfunktion ist Die der „japanaese orthopedic association“, kurz JOA Skala. Diese ist in Tabelle 3 zu finden.

Entsprechend der Tabelle wird eine Punkteanzahl zwischen 0 und 17 vergeben, wobei die Funktionsstörung des Rückenmarks umso ausgeprägter ist, je niedriger der Wert. Aus Studien ist bekannt, dass der Verlauf einer solchen cervicalen Myelopathie meist in einer langsam progredienten Verschlechterung besteht. Abbildung 6 zeigt die Daten einer Studie welche das Aktivitätsniveau von Patienten mit cervicaler Myelopathie ohne Behandlung im Vergleich zu Patienten, welche sich einer Operation unterzogen. Während es in der ersten Gruppe zu einer langsamen Verschlechterung kommt, so kommt es in der operativen Gruppe zu einer langsamer Erholung der Funktion.

Symptome der Erkrankung

Cervicale Deformitäten können folgende Beschwerden verursachen: Schluckstörungen; Gewichtsverlust (in Folge der Schluckstörung); Nacken-, Kopf- und Armschmerzen; Einschränkung der Funktionalität im Alltag durch Unfähigkeit Geradeaus zu sehen; Störungen der Rückenmarksfunktion (sieh weiter oben im Kapitel).

Diagnose

Sind die klinischen Symptome für einen Arzt hinweisend auf eine cervicale Deformität (sichtbare Fehlhaltung, Unfähigkeit Geradeaus zu blicken, Zeichen einer cervicalen Myelopathie, Schmerzen im Nacken oder Armen), so wird meist zunächst eine Röntgenaufnahme der Halswirbelsäule angefertigt. Hier lassen sich bereits wichtige Erkenntnisse über die Natur der Deformität gewinnen (siehe Abbildung 1). In vielen Fällen wird dann noch eine ergänzende CT und MRI Untersuchung durchgeführt um einerseits eine genaue Darstellung der Rückenmarks- wie auch der Knochenstrukturen zu ermöglichen. Wird eine ausgeprägte intrinsische globale Deformität diagnostiziert kann es notwendig sein, dass der Patient auch durch einen Neurologen oder Rheumatologen beurteilt wird. Die Beurteilung durch einen Rheumatologen kann auch notwendig werden, wenn das Vorliegen einer bis dahin noch nicht diagnostizierten rheumatischen Erkrankung vermutet wird.

Behandlung

In leichten Fallen, also bei nicht signifikanter Einschränkung des Geradeausblicks, dem Fehlen von Rückenmarksfunktionsstörungen, sowie erhaltene Fähigkeit normal zu essen kann eine beobachtende Haltung eingenommen werden. Liegt eine Grunderkrankung vor, wie beispielsweise in Tabelle 3 angegeben, so kann versucht werden diese mit entsprechender spezifischer Therapie zu behandeln, um so ein Fortschreiten der cervicalen Deformität zu verhindern. Ist die Erkrankung fortgeschritten, insbesondere beim Vorliegen von Schluckstörungen oder Störungen der Rückenmarksfunktion, so wird meist einer operative Korrektur empfohlen. Die Wahl der Operationstechnik hängt von vielen Faktoren ab, vor allem den Befunden in den radiologischen Untersuchungen. Es stehen eine Reihe von operativen Techniken zur Verfügung, welche in Abbildung 7 schematisch dargestellt sind.

Das Ziel einer operativen Korrektur ist einerseits eine normale Krümmung der Halswirbelsäule wiederherzustellen (C2C7 sagittaler Cobb Winkel soll normwertig sein, also die Differenz zu dem T1 slope Winkel in etwa 15°), andererseits etwaige Einengungen von Nervenwurzel oder des Rückenmarks zu korrigieren. Die untenstehende Tabelle 4 zeigt einen Vergleich häufig angewandter Operationstechniken, deren Fähigkeit den C2C7 sagittalen Cobb Winkel zu korrigieren sowie das Komplikationsprofil.

In den Abbildungen 8 und 9 finden sich zwei Beispiele operativer Korrekturen von cervicalen Deformitäten.

Wie bereits mehrfach erwähnt können die meisten kyphotischen Deformitäten, wenn sie ausgeprägt sind, eine Störung der Rückenmarksfunktion auslösen. Wie der Abbildung 10 zu entnehmen ist, kommt es bei Patienten mit Rückenmarksstörung nach operativer Korrektur zwar zu einer Verbesserung der neurologischen Funktion, jedoch ist diese mitunter nicht sehr ausgeprägt. Eine Operation in diesem Kontext dient also primär dazu eine Verschlechterung der neurologischen Funktion zu verhindern.

Referenzen

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